23 Februar 2024

von der geduldigen Zeichnung

 [ langatmige Erzählung,
an die sich zu erinnern
mir aber unerwartet Spaß bereitet hat ]



Am Wochenende habe ich ein Zeichnung, welche einst
handgefertigt und mir dann geschenkt worden war,
erstmals aufgehangen.

Und zwar mit der kleinen Verzögerung von: 26 Jahren.

Dieses Bild:


Es hatte in diesen 26 Jahren hinter 1 Kommode,
1 Schrank, dann in 2 Garagen und 2 Kellern
über 4 Wohnorte und 3 Beziehungen überdauert
und auf diesen einen Tag gewartet.

Davon allein 15 Jahre in einer äußert temperatur-
und feuchtigkeitsvolatilen Garage, unverpackt,
nur durch zwei Pappdeckel von vorne und hinten
geschützt, an die Garagenwand gelehnt.

       Flashback ins Jahr 1998:

Ich habe vor relativ Kurzem erst die bislang heftigste Liebe verloren,
habe die darauf sofort anschließende Schnellschussbeziehung
(unsere ex-Azubiene) nach sagenhaften 8 Wochen in den Sand gesetzt.

Finde das ehrabschneidend und verdopple daher den Altersunterschied
bei Britta, der nächsten Kurzzeitbeziehung, nun zwar auch wieder blond,
dafür kurzhaarig, auch wieder braunäugig, dafür großbrüstig.

Britta besucht mich über die Mittagspause im Büro und will sich
gerade unter meinem Schreibtisch an meiner Anzughose zu schaffen
machen, als es an der Tür läutet.

Rasch wird die Kleidung gerichtet und die Freundin wie eine Kundin
draußen ins Wartezimmer geschoben.

Der Summer öffnet die Haustür, Heels-klackernde Schritte schallern
durchs Treppenhaus, die Bürotür geht auf und herein tritt: Sandra.
Die Tochter unserer Sekretärin.

Sie schreitet durch das Wartezimmer an der Magazine zu lesen
vorgebenden Britta vorbei und betritt das Beratungszimmer. 
Sie schließt die Tür hinter sich.

Auf einmal steht sie wieder da.
Grinst mich leicht dominant an, in ihrem langen Mantel.
Den sie wortlos öffnet und mit zeigt, was drunter ist:
Erstaunlich wenig.

Wie es scheint, will sie unser kurzes, intensives Verhältnis
von letztem Jahr wieder aufleben lassen.

"Schick das Blondchen weg, ich hab' da was für Dich!"
ist der erste Satz aus ihrem Mund.

Ich stehe auf, trete nah an sie heran, greife sie hart im Nacken
und zwischen ihre Schenkel und zische leise so etwas wie
"Nicht hier und nicht jetzt!"

"Selbst Schuld." lächelt sie sich zurück in ihren Mantel, dreht
sich auf dem Absatz um und verlässt das Gebäude.

Zwei Abende später werde ich in ihrer Haustür stehen und
nach Öffnen dieser wortlos eintreten, sie grob rückwärts auf die
Couch im Wohnzimmer drücken und für ihre Unverschämtheit
unsanft und wortlos mit einer Faust in ihren Haaren durchficken,
während die andere ihr den Arm auf den Rücken gedreht hält.

Sie revanchiert sich nachts im Schlafzimmer beim nächsten Ritt
mit kräftig in meinen Rücken gerammten Krallen, und zwar exakt
in der Sekunde, in der ich komme.

Ab da beginnen unsere Spielchen. Eine einfach großartige Zeit beginnt.

Wir spielen RISIKO auf dem Glastisch - und der Verlierer muss
für die nächste Sex-Runde gehorchen. Und: Es gibt kein NEIN.

Wir schauen stundenlang Musikvideos auf MTV und VIVA,
während wir uns mit Pizza und Unmengen Lambrusco vollstopfen.

Wir spielen wieder - wer mehr Titel, Bands, dazugehörige Alben
und den Videoregisseur benennen kann, gewinnt - und verlangt
vom Anderen explizite "Dienste".

Sie lässt mich nackt auf allen Vieren eine quer durch ihre Wohnung
ausgelegte Linie Toffifees mit den Zähnen aufsammeln und essen.
Eine ganze Packung.

Ich revanchiere mich nachts, in dem ich sie nackt auf dem Bauch
ans Bett fessele, dann in die Küche hinunter gehe und eine eiskalte
Salatgurke von ganz hinten in ihrem Kühlschrank in aller Gemütsruhe
schäle, halbiere, und dann mit beiden Hälften in absolut schändlicher
Absicht die Treppe zurück zu ihr ins Schlafzimmer gehe.

Sie ruft mich im Büro an wenn ich nicht alleine bin, aber auch nicht
weg kann. Und flüstert mir Sauereien in den Hörer. 

Ich fahre abends zu ihr und binde sie wieder an, da die Salatgurke
es offenbar nicht hat richten können, kommen diesmal Eiswürfel
aus dem Gefrierfach zum Einsatz.

Sie japst nach Luft, fleht um Gnade, faucht wütende Rachesätze
in meine Richtung und wird sich zuverlässig irgendwann nachts,
wenn ich wehrlos schlafe, in geeigneter Form an mir revanchieren.

So geht das einige Wochen.
Wir lachen sehr viel gemeinsam, genießen unseren
intellektuellen Gleichklang, haben Spaß.
In dieser Zeit beginnt sie, zu zeichnen.
Kreide, Kohlestifte, alles Mögliche.

Aus irgendeinem Grund zerstreiten wir uns, wahrscheinlich 
missfällt mir, dass sie angefangen hat, sich nebenher einen
blutjungen Studenten als ToyBoy zu halten und bisher alles
Vortasten von meiner Seite in Richtung "Beziehung" schroff
abgelehnt hat.

Monate vergehen, plötzlich meldet sie sich.
Ob wir essen gehen wollen.

Wir treffen uns vor einem Seitenstraßen-Inder in Stuttgart,
und auf einmal kreuzt eine hochschwangere Sandra vor mir auf.

Der Vater ist der zwanzigjährige ToyBoy-Student, der aber schon
ein Kind mit einer Anfang vierzigjährigen Verheirateten hat und
da auch schon keinerlei Alimente zahlt und auch sonst keinerlei
Ambitionen zeigt, sein Studenteneben zu verändern.

Wir essen. Sie lacht etwas zu viel. Wir reden.

Auf einmal ist das Thema "Beziehung" mit mir doch nicht so
aus der Welt! Quelle surprise.
Sorry, dafür bin ich nicht zu haben.
Nun bin ich der, welcher nicht mag. Nicht mehr.

Als das Mädchen auf der Welt ist, ruft mich keine zwei
Wochen später eine schon am Telefon hörbar seit Monaten
unterfickte Sandra an und verlangt abends nach einem Treffen.

Es folgt die wildeste, gewalttätigste Nacht, die eine Frau jemals
mit mir veranstaltet hat, ich stand mehrmals gefühlt 
kurz vor Penisbruch und Ohnmacht. Heute kann ich
darüber grinsen, damals fühlte es sich merkwürdig an.

Ich revanchiere mich anderntags, in dem ich abwarte, bis sie
ihr Mädchen stillt, bevor ich ihr ungefragt den Slip runterziehe
und sie auf der Couch vögele

Aber etwas ist anders inzwischen,
die Zeit unserer Spiele ist vorbei, hat sich abgenutzt, der
Ernst des Lebens steht bzw. liegt mit einem Mal im Raum.

Die Zeit, in der das, was wir machten, sich gut und richtig
anfühlte, ist vorbei. Die Freude hat unser Zusammensein verlassen.
Kurz, bevor es gar nicht mehr geht, miteinander gut zu
kommunizieren, schenkt sie mir diese Zeichnung.

Ein Liebespaar, welches sich zart umarmt.

Zu Paar und zu Liebe war es nie gekommen.
Aber das Bild ist noch da.

Und nun, nach all den Jahren bin ich auch wieder in einer
Lebenssituation, in der ich es aufhängen kann und auch möchte.

Es erinnert mich an eine echt nicht leidensfreie, aber dennoch
irgendwie unbeschwerte Zeit, verglichen mit dem "danach".

Die Erinnerung an diese Zeit, auch die fühlt sich unbeschwert an.
Ich möchte diese Zeit so, wie sie jetzt ist (also falsch)
in meiner Erinnerung behalten.

Genau so.

4 Kommentare:

  1. Sehr schön zart geschrieben, so wie die Zeichnung. Interessant, dass Du sie jetzt aufhängst.

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    1. Ich hatte nie die Gelegenheit, die Bedingungen dazu in meinem Leben.
      Nun habe ich sie.

      Alles wartet eben auf "seinen" Moment.
      Ein Gedanke, den ich total mag :-).

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  2. Ich mag diesen Post sehr und habe ihn gestern, über den Tag verteilt, immer mal wieder gelesen. Er klingt, in vielerlei Hinsicht, reizvoll und erfüllend.

    Beim Lesen habe ich mich gefragt:
    Weißt du, was aus Sandra geworden ist? Hast du eine Wiederholung zu einem späteren Zeitpunkt nie in Betracht gezogen?

    Es soll ja Menschen geben, die mehrere Anläufe brauchen, um sich zum richtigen Zeitpunkt über den Weg zu laufen. :-)

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    1. Freut mich sehr, wenn er Dir gefällt :-).
      Ich hatte zwischendrin mal den Gedanken, ob er nicht zu offensiv / explizit gewesen sein könnte, gemessen an der eigentlichen Aussage "Alles wartet auf seinen Moment".

      Ja, ich habe eine Wiederholung in Betracht gezogen,
      und wie man solchen Unsinn eben macht, wenn man nachts angetrunken ist, habe ich sie angetextet.

      Das muss aber noch vor 2007 gewesen sein, denn ich weiß noch genau, dass ich das auf meinem Nokia 6310i -Barrenhandy machte^^.

      Sie hatte nie geantwortet - und ich führe das darauf zurück, dass ich allerhöchstwahrscheinlich (unangenehme) Teile der Geschichte vergessen, verdrängt habe (das ist nämlich meine geheime Superkraft.), Teile, die es ihr nicht sinnvoll erscheinen ließen, zu antworten.

      Und das mit den mehreren Anläufen?
      Da bin ich der Erfinder von.
      Leider reicht bisweilen die Spanne eines Menschenlebens nicht aus dafür.

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