Zu den Dingen, die ich wirklich noch nie selbst gekocht habe,
hatte stets Gulasch gehört.
Im Prinzip geht das auf zwei Anlässe zurück, der eine war,
dass früher immer die Exfrau das gekocht hatte und ich Gulasch
in der Zeit als Alleinlebender so ein bisschen aus den Augen
verloren hatte. Wie so viele Gerichte, wen man nur seine eigene
Ein-Personen-Versorgung im Blick hat.
Das Andere war, dass es früher gerne mal ein unnötiges Trara
gegeben hatte, wenn ich gemischtes Gulasch bevorzugt hätte,
die Ex (samt ihrer Mutter) aber lieber auf reinem Rindergulasch
bestanden hatten - und mir ist diskussionsfreies Essen meist lieber^^.
Bei unserem täglichen Abend-Call neulich aber blätterten die Freundin
und ich gemeinsam den Discounter-Prospekt online durch (sie am Handy,
ich am 27"Bildschirm, weil ich sonst nix davon sehe^^) und mit
einem Mal meint sie so: "Gulasch ist nächste Woche im Angebot."
Und da war sie, meine Initialzündung bzw. Kochidee.
Außerdem erfüllte "Gulasch" für mich als Mann am Herd
gleich 3,5 sehr relevante Grundbedingungen für Essen:
- alles kommt in nur einen Topf
- alle Arbeitsschritte folgen linear einem Pfad,
nichts muss parallel erledigt werden - Fleisch
dieses Gericht bereits auf meinem OneDrive gespeichert hatte,
so wie ein paar tausend andere.
Und ich hatte mir vorgenommen, sobald ich alleine lebe
einfach mal wieder mehr aus meiner "Rezeptreserve"
neu zu entdecken und nachzukochen.
Ich nutze die Gelegenheit, vorher im gleichen Topf (hochwandig,
6 Liter, Edelstahl) für ein weiteres Essen noch Bambussprossen
und in Streifen geschnittene Maultaschen anzubraten.
dann wenigstens mit Recht.
Das geht -man kann es nicht anders sagen- schief.
Die Sprossen werden klasse, die Maultaschenstreifen aber hätten
zwingend in eine Teflonpfanne gehört. Wieder was gelernt.
Das Gulasch vom AlD1 kommt besser als erwartet aus den Verpackungen.
Während es anbrutzelt, entkorke ich die erste Flasche Rotwein zum
späteren Ablöschen, nur um sie gleich darauf in den Ausguss zu kippen:
Wenn der Korken schon beim ersten Rausdrehen zerbröselt, war's das.
Die zweite Flasche hingegen ist gut (Drehverschlüsse sind ohnehin
besser für die Weinqualität, und das fast ausnahmslos), und dann
wollen die Zwiebeln gewürfelt werden.
Immer, wenn ich Zwiebeln würfle, denke ich daran, so etwas wie
einen satirischen Kochkanal auf YT aufzumachen.
So in der Richtung, wie es frühere Blogstories von mir waren,
nur eben mit Schürze und am Herd plus DashCam.
Sozusagen Lebensweisheiten live von der Arbeitsplatte, gepaart mit
"vorm Bildschirm zusammengeschissen werden", wie man nur an diese
ganzen Pseudoratgeber glauben kann á la "weshalb Sie bisher immer
Ihre Zwiebeln falsch geschält haben!" und so einen Mist.
Dazu Tipps und Tricks, wie man es schafft, einen Mann in der Küche
(und anderswo, wo Stresspotenzial vorhanden ist) artgerecht zu
behandeln (wissen viele Frauen nämlich nicht).
So in Gedanken versunken, werden es mehr Zwiebeln, als im Rezept
vorgesehen drin steht - dafür lobe ich mich in diesem Moment selbst.
Denn ich stelle schmunzelnd fest, dass ich dieses sklavische
"Apothekerkochen" der letzten Jahre step by step abzulegen beginne.
Dass ich anfange, loszulassen von dem Verhalten, ein Kochrezept
für einen quasi-Auszug aus der Heiligen Schrift zu halten.
Dass ich behutsam Verhalten abzulegen beginne, das ungesund war
für mich. Und für meinen Gegenüber.
Und schon erstickt es wieder, das Lächeln. Erinnerungen kommen.
Schuldgefühle wehen aus dem Dampf über dem Topf zurück in den Kopf.
Mir fällt beim Umrühren des Fleisches der Holzlöffel aus den Fingern -
eine Reaktion´von mir, wie sie früher so typisch und geradezu lächerlich
vorhersehbar war, wenn die Exfrau die Küche betreten hatte.
Ich ziehe einen Froschmund und rede mir gut zu.
Eigentlich scheiße ich mich leise zusammen, aber freundlich.
Also, freundlicher als früher.
Kleine Fortschritte.
Während die Zwiebeln im Topf mit anbraten, beschließe ich spontan*,
*bisher unbekannte Verhaltensweise,
die mir selbst zu gestatten ich noch
vor nicht allzulanger Zeit noch nicht
in der Lage war
noch zwei Kartoffeln klein zu würfeln und mit anzubraten.
Etwas Stärke im später zerkochenden Sud wird sicher nicht schaden
und ...naja:
Die Exfrau hatte auch immer ein paar Kartoffelstücke mit drin.
In ihrem Gulasch.
Die Kartoffeln sind schnell aus der Speisekammer geholt,
und dann, als es wegen des schon fortgeschrittenen Bratvorgangs im
Stahltopf langsam zeitkritisch wird, gewinnen wieder alte, noch gut
vertraute Verhaltensmuster in der Küche stressbedingt die Oberhand,
weil man ja keinesfalls was falsch machen will,
es kommen Tick-hafte Muster zurück,
repetitive Handlungen helfen jetzt.
Also wird jede Kartoffel in genau der gleichen Manier geschält.
In exakt 10 Zügen wird sie das.
Es werden nicht 9 und es werden auf aber GAR keinen Fall
womöglich 11, nein, es werden ZEHN.
Erst die Polkappen des unkantigen Karoffeloids,
erst für die Nord-Polkappe 2 Züge mit dem Schälmesser,
dann für die Süd-Polkappe 2 Züge mit dem Schälmesser,
es verbleiben 6 Schälzüge für die Seitenpartien, dass muss,
das kann nur zu schaffen sein,
jetzt nicht noch einen Fehler, alter Junge,
Du hast schon das gemischte Fleisch gekauft,
Du hast schon zu viele Zwiebeln drin,
statt dem Rinderfond hast Du nur Pulver im Haus,
Du hast schon den Holzkochlöffel runtergeschmissen,
jetzt bitte nicht noch bei den Scheißkartoffeln versagen.
Ich stehe neben mir und schaue mir zu,
das hier muss jetzt keinen Sinn machen,
das hier muss jetzt einfach nur klappen,
dann bin ich beruhigt,
dann kann ich wieder stolz sein,
dann kann ich wieder ein paar Geister mit dem Stuhl in Vorhalte
zurück aus der Manege drängen.
Und es klappt.
Die Kartoffeln zischen im Edelstahltopf,
ich verrühre alle Gewürze mit etwas Rotwein und Tomatenmark.
sondern immer mit einer
Während im letzten Schritt noch die 3 Paprikas
in Stücke geschnitten werden müssen (wobei auch hier
wieder eine eigenentwickelte Carvingtechnik zum Einsatz
kommt), ist nach dem Ablöschen des Topfes bereits Ruhe
in die Küche eingekehrt.
Ok, und der ordentliche Schluck Rotwein aus der Pulle vorhin,
der nach den Kartoffeln, der hat auch geholfen.
Das Rezept nehme ich ab jetzt nicht mehr ernst.
Es war ohnehin auf 5 (!) Arbeitsstunden ausgelegt,
weil das Fleisch an insgesamt drei Tagen für jeweils 90 min
aufgekocht wird (ein Einmachgläser-Gulaschrezept).
Als die Paprikastücke in den Topf gleiten, schalte ich
den Herd aus. Ich kenne inzwischen meine Töpfe und auch
diesen merkwürdigen Herd, diese Hitze wird nun reichen.
Anderntags probiere ich mein erstes selbstgemachtes Gulasch.
Und bin sehr zufrieden.
Im Sinne von: Zu Frieden.
Uiuiui, die ungarische Oma meiner Schwester hat sich gerade im Grab umgedreht. Meine Mutter ist bei Ihrer Ex-Schwiegermutter dort in die Kunst des Gulaschs eingewiesen worden und ich muss sagen, keins schmeckte mir je so gut wie ihres <3
AntwortenLöschenGulasch dort = Pfund auf Pfund (1 Pfund Fleisch = 1 Pfund Zwiebeln), die Zwiebeln keinesfalls wuerfeln, sondern grob schneiden, sie verkochen spaeter eh.
Paprika sagen die einen so, die anderen so (man kann nach Belieben Zeug dazu geben, z.B. Sauerkraut fuer Szegediner Gulasch, oder Pilze sind auch sehr lecker zum wuerzen), aber Paprika darf am Schluss keinesfalls mehr stueckig erkennbar sein, sondern muss verkocht sein. Gulasch muss nämlich lange kochen, und mit lange sind mehrere Stunden gemeint. Dazu hat irgendeine Uni sogar mal einen wissenschaftlichen Test durchgefuehrt, erst nach 4 Stunden (Rind gern noch laenger) oder so zerfallen die Kollagene im Fleisch, so dass es muerbe wird. Gulasch mit Fleisch, das man nicht mit der Gabel zerdruecken kann, ist kein richtiges Gulasch sondern einfach Fleisch in Soße!
Wegen der zerfallenen Kollagene ist es dann auch von alleine sämig. Kartoffeln = no go dort, ausser als Beilage :)
sorry, musste raus, Gulasch ist heiliges Essen hier, obwohl ich es noch nicht mal sonderlich gern mag weil zu viel Fleisch ^^
Das mit den Paprika hab ich in den diversen Rezepten mal so und mal so gelesen, von verkochten Paprikas halte ich nix, wozu die denn dann mit rein tun? Und daher tut man die in MEINER Variante sehr viel später mit zum Fleisch dazu, sie haben dann noch Farbe, Konsistenz und auch noch Eigengeschmack :-).
LöschenDas mit den 4h oder länger und den Kollagenen glaube ich gerne, aber ich hab ja so Töpfe, die nach dem Herunternehmen noch ewig heiß bleiben (die Exfrau hatte sich mal beim Naschen an meiner Suppe die Lippen verbrannt - satte 3h, NACHDEM ich den betreffenden Topf vom Herd runter gezogen hatte...), deshalb reicht bei mir eine 100 min Kochzeit und dann halt noch paar Stunden draußen stehen lassen.
Und zu den Kartoffeln ja oder nein sag ich nix.^^
... sollte heissen: Es ist ein nur Essen. Und da kann man nix "falsch" machen, so lange es am Ende einem selbst schmeckt. Schoen, wenn Du die alten Daemonen langsam besiegst, aber das hoert sich echt noch nach Arbeit an. Hugs!
AntwortenLöschenJa, ja und ja :-).
Löschen„I cook with wine. Sometimes I even add it to the food.“
AntwortenLöschenStammt nicht von mir - passte aber grad gut 😬🍷
DER Satz MUSS von einer Frau im Original stammen, stimmt's!?
LöschenStimmt 🙃
LöschenP. S.: Das sind echt viele Zwiebeln. Das wird lustig!
AntwortenLöschenNein, wurde es nicht - es gibt 3 Lebensmittel, die ich normalerweise absolut nicht vertrage, das sind Knoblauch, Zwiebeln und Paprika.
LöschenWenn sie aber wirklich komplett lange durchgekocht wurden, tun sie mir nichts und sind sogar für MICH absolut bekömmlich, dieses Mal brauchte ich nicht einmal meine Heilerdekapseln (sonst die letzte Rettung).