12 April 2022

von der schönsten Frau

Zwei Jahre lang hatte ich viele meiner Kolleginnen und
Kollegen nicht mehr persönlich gesehen.
Corona hatte uns das für einen weitaus längeren Zeitraum
genommen, als wir uns das je hätten vorstellen können.

Zwei Jahre, in denen sich eine Menge verändert hat bei uns.
Digitale Meetings haben sich durchgesetzt, neue Office-Apps
bestimmen den Alltag, die Art der Zusammenarbeit hat eine
andere, eine konzentriertere Professionalität.

Aber auf diese eine Auftakttagung hatte ich mich gefreut.
Wirklich gefreut.

Nach zwei Jahren home office und MS Teams and whatnot
hatte ich mich sogar auf jene wiederzusehen gefreut, auf die
ich füher gut und gerne hätte verzichten können auf Tagungen.^^

Corona (und seine Folgen) war für mich in all seiner Konsequenz
eine einzige Lektion in Demut.

Die Tagungsveranstaltung an sich ist so unspektakulär wie die
ganzen Vorgänger in den Vorjahren auch schon, aber abends geht
es für alles ins STOCK'S, eine Eventhalle nebenan.


Ich treffe früh ein, denn ich möchte einen Tisch mit Sitzplatz
ganz am Rand:
Noch vertrage ich es so früh am Abend nicht in mitten so vieler
Menschen und ihren Lautstärken zu sitzen. Dazu brauche ich
erst ein wenig Alkohol.

Nach und nach trudeln die Kollegen ein, bis der Saal sich gefüllt
hat - aber er ist weitaus leerer als die Jahre zuvor. Die vielen
Sicherheitsanforderungen im Vorfeld haben viele davor zurück
schrecken lassen, außerdem istes keine Pflichtveranstaltung,
und natürlich wütet noch Omikron-Corona bei uns im Außendienst.

Noch immer ist unser Bereich eine Männerdomäne, aber heute
stelle ich fest: Es wird wirklich besser.
Etliche Frauen sind neu dabei, auch einige junge sind dabei,
es wird diesem Laden gut tun.

Ein paar Gänge ans Buffet, ein paar Kölsch später bin ich auf Kurs,
es gab schon nette Gespräche und kurzweiligen Austausch, da sehe
ich hinten am anderen Ende des Raumnes meine Lieblingskollegin
und beschließe mich dort hinzu zu setzen.

Es stellt sich als ein fast reiner Frauentisch heraus, einige Plätze sind
aber unbesetzt. Zu dritt saßen die beiden Damen und ich bereits vor
zwei Jahren hier in diesem Raum beisammen, das fällt uns nostalgisch auf.

Hinzu kommt neben mich die junge Kollegin, mit der ich auf dem
Konfliktbewältigung-Seminar im Ahrtal war, in diesem Hotel, in dem ich
die damalige Geliebte auf dem Zimmer im wahrsten Sinne als
Pausenfüller benutzt hatte und von dessen wunderschönem Biergarten
nun nichts mehr steht.

Der Platz mir gegenüber ist aber immer noch frei.
Gerade tauschen wir noch ein paar Seminarinhalte aus, da kommt...sie.

Aus der Ferne, auf Profilfotos hatte ich sie schon mal kurz irgendwo
gesehen, aber jetzt, in diesem Moment, zoomt es sie durch den Raum
direkt vor mich hin.

Sie setzt sich.
Stellt ihre Handtasche neben sich.
Sieht mir direkt  in die Augen und sagt "Hi!"

Während mir das weißeste, strahlendste Lächeln seit Jahren
auf ihren leuchtendroten Lippen entgegenlechtet,
so sehr, dass es mir tatsächlich den Atem raubt, spüre ich,
wie ich tief lächle.

Diese Frau, die da vor mir sitzt und keine Sekunde lang ihren Blick
von meinen Augen wegnimmt, ist so unfassbar schön, dass ich mir
für meinen Gesichtsausdruck jetzt gerade eine FFP2-Maske zurückwünsche.

In diesem Moment denke ich:

Das ist die schönste Frau, der Du je live begegnet bist.
Dreieinhalb Milliarden Frauen.
Und das kosmische Roulette zieht Dir Aphrodite aus der Lostrommel.
Irre.


Sie fragt, wer ich bin, übernimmt die Initiative, und noch ehe ich
überlegen kann, wie ich das jetzt hier starte, da hat SIE es bereits voll
ans Laufen gebracht und nimmt -wie ich zunehmend irritiert bemerke-
immer noch nicht auch nur eine Sekunde ihren Blick aus meinen Augen,
während sie lächelt.

Es fällt mir unglaublich schwer, ihr nicht in das Dekollete zu schauen.
in diesem wunderbaren schwarzen Bodykleid, nicht die perfekten
blonden longcurls zu bewundern, von dem makellosen makeup mal
ganz abgesehen.

Aber was mich wirklich grillt, das sind diese wachen, dunklen,
blitzenden Augen über dem großen, Model-würdigen Kussmund.

Minuten verfliegen wie Sekunden.
Wir unterhalten uns über den Job, immer wieder fragt und erzählt sie.

Meine Antworten scheinen sie jedenfalls nicht zu langweilen,
immer wenn ich etwas antworte, wird ihr Lächeln breiter, öffnen sich
ihre Lippen einen Spalt weit, legt sie den Kopf etwas seitlicher.

Ich bin etwas aus der Übung, aber mein Bauchgefühl sagt mir,
dass das hier eine gute, von beiderseitigem Interesse geprägte erste
Unterhaltung ist.

Eine halbe Stunde ist vergangen wie nichts, und als ich zur Seite schaue
stelle ich fest, dass alle anderen schon weg sind und sich umgesetzt
haben - wir sitzen uns allein gegenüber, ganz am Ende des langen Tischs,
ganz am Ende des Tanzsaals.

Ich richte mich irritiert etwas auf und sofort scheinen mich 30 Augenpaare
von Kollegen (m) zu treffen, ihre Blicke wirken unverhohlen neidvoll.

Wir gehen in den Raum nebenan an die Stehtische, dort finden wir
ihre Mädelstruppe wieder und dort verabschiede ich mich und suche mir
einen neuen Tisch.


Den Kollegen dort ist mein intensives Gespäch mit der jungen Schönheit
nicht verborgen geblieben, es fallen in paar anspielende Bemerkungen,
die sogar gemessen daran dass wir Vertriebsleute sind nicht unbedingt
hätten sein müssen - am nächsten Tisch zehn Minuten später höre ich
nochmal das Gleiche.

Vielleicht sollte ich ein wenig aufpassen. Denn wie schon in den
letzten 8 Monaten schätze ich die Zahl derer, die mir wohlgesonnen
sind, vermutlich zu hoch ein.

Da finde ich die beiden Damen von vorhin wieder, ich besorge und neue
Getränke, und dann gehen wir zusammen rüber in die Fotobox und stellen
unser Gruppenfoto von vor 2 Jahren nach, lösen aus und der restliche Abend
wird noch lang und freudvoll.





4 Kommentare:

  1. Antworten
    1. Dafür, dass Sie so "gar nix " machen, weiß aber der Leser hier nur zu gut, was Sie gern tun würden ^
      Oder?😉

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    2. Gar nicht mal, ich bin tatsächlich bestens versorgt.^^

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