22 Mai 2024

von veränderten Rollen und einem Lächeln

Spannende Zeiten sind das:
Sie sind von wechselhafter Unstetigkeit geprägt.
Durchaus auch im Positiven.

Aber womöglich bin ich jetzt auch 
einfach nur in einem Alter, in dem
Einem das so erscheint?

Kurz vor meinem Weggang in Süddeutschland
ging der Regionalmanager, mit dem ich wirklich
gut zusammengearbeitet hatte, nach nur 18 Monaten
auch gleich wieder. Fehlmotiviert, überarbeitet,
durch nicht eingehaltene Versprechen desillusioniert.

Kurz nach mir ging der Gebietsdirektor.
Kurz nach dem ging der Landesdirektor.

Keine dieser Funktionen (meine eigene eingeschlossen)
wurde bis heute nachbesetzt.

Kurz danach erlitt mein letzter verbliebener Fachkollege,
der übergangsweise meinen Bereich hatte mit betreuen
sollen und der eigtl. zu 04.2024 in den Vorruhestand
hatte gehen wollen, einen Herzinfarkt.

Was bedeutet, seine ohnehin äußerst überschaubare
Arbeitsmotivation wird nun gegen null tendieren
(in diesem Fall sage ich: richtig so).

Die Exfrau wurde zum Jahreswechsel auf die
höchstmögliche Stufe befördert und wechselte
einen Tag später in eine andere Gesellschaft.

Dort läuft sie sich -wie ich glaube- auf eine landesweite
Führungsposition vor. Ich kenne ihre Chefin dort
(war auch mal meine), das klingt für mich plausibel.

Sie wirkt auf neuen Fotos deutlich erschlankt und trägt
wieder die blonden Strähnen aus den Millenniumsjahren.

Mein aktueller (phantastischer) Chef wird dem
Vernehmen nach bald schon eine andere Funktion
als Führungskraft annehmen, was mich ein bisschen
ankotzt.

Wir spekulieren intern über unsere zukünftigen möglichen
Unterstellungen - mit beiden in Frage kommenden Optionen
könnte ich gut leben.

Die (sehr) junge Direktorin eines der von mir mit betreuten
Gebiete hat sich auch schon wieder verabschiedet - eine
weitere, andere Führungsrolle im Konzern wartet auf sie.
Jedenfalls, den Vorstände-Phrasendrescher-Sprech beherrscht
sie für ihr Alter schon recht gut.^^

Und einer vertrauten Tradition unseres Unternehmes folgend,
ist ihr Nachfolger auch wieder gefühlt halb so alt wie ich.

Die Liebste hatte sich gerade einen gewisse Reputation an
ihrer (unfreiwillig) neu angetretenen Wirkstätte erarbeitet und
auch spürbar dort an dickem Fell hinzugewonnen, da geschah
etwas, auf das ich nur insgeheim immer und immer wieder
gehofft hatte:

Ihr vorheriger Chef in der alten Firma rief sie an.

Er hatte sie und die Hälfte aller Mitarbeiter entlassen müssen,
vor nicht mal einem Jahr. Der Laden wäre sonst den Bach
runtergegangen. Bitter war das gewesen, auch für ihn.

Nun ist die Lage wieder stabil.
Der Laden wurde gesund geschrumpft.
Nun entsinnt er sich jener, mit denen er gut und gerne
zusammen gearbeitet hatte. Verlässliche Menschen mit
Potential.

Nun kann er, nun will er sie zurück.

Und bietet ihr eine interessantere Aufgabe, ein echtes
eigenes HR-Budget, eine kleine Führungs(!)aufgabe.
Und: Ein besseres Gehalt.

Sie fragt mich hinterher, wie sie ins Zweitgespräch
einsteigen soll.

Ich gebe ein paar Tipps, zeige Gesprächsstrategien mit
Erfolgspotential auf, und am Ende des Tages kommt sie
nach Hause mit einem Angebot, das allen Ernstes monatlich
vierstellig über ihrem jetzigen Einkommen liegt und ab
sofort gilt.

Ich male mit ihr das übliche T-Konto mit "pro" und "contra"
auf einer DIN A 4-Seite in quer, diskutiere einzelne Aspekte
der neuen (wirklich umfangreichen) Funktions- und Stellen-
beschreibung, aber ich merke schon am Tonfall ihrer Antworten:

Die Entscheidung ist schon gefallen, sie wird sich der
Aufgabe stellen.

Ich lächle:
Keine schlechte Entwicklung für die 1,59m-Studentin,
die ich mit wenig Selbstbewusstsein im Tank, aber keiner
einzigen weißen Bluse im Schrank in ihrer 1-Zimmer-Bude
als Schicht arbeitende Backwarenverkäuferin kennengelernt
hatte und die auf eine Art, wie ich es selbst seit Ewigkeiten
nicht mehr gekonnt hätte, mit knappsten Ressourcen
stets meisterlich zu haushalten verstanden hatte.

Wie unerschrocken sie an die neuen Herausforderungen
heran geht, freut mich, lässt mich ein wenig staunen.
Und noch heute vergeht keine Woche, in der sie sich nicht
für meine Unterstützung bedankt.

Inzwischen hat sich auch bei mir das Blatt gewendet:
Nun bin ich derjenige, der ihre Unterstützung gut brauchen kann.

So ändern sich die Rollen.
Und so ist das, was Partnerschaft sein sollte.

Manchmal nicht ganz schlecht, dieses merkwürdige Leben.



5 Kommentare:

  1. Nichts so bestätig wie der Wandel und die Dynamik des Lebens. Die Karten werden permanent neu gemischt. Nichts bleibt für die Ewigkeit, nichts bleibt wie es war.

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    1. Und man selbst kann frei entscheiden, ob man das bedauert oder willkommen heißt. Auch wenn willkommen heißen manchmal schwer fällt.

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  2. Das Geheimnis jeder guten Beziehung: Mal geht der eine vor, mal der andere. Und manchmal geht man nebeneinander. Oder sitzt zusammen auf der Parkbank.

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    1. Ich muss das mit den „guten Beziehungen“ erst lernen im Sinne von „glauben lernen“. Fühlt sich aber gut an.

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  3. Nein, es ist durchaus nicht schlecht, dieses Leben, das immer noch neue Wendungen in der Hinterhand hat. Ich freue mich für Sie und alle Beteiligten. Einst gehörte ich zu den Personen, deren Selbstbewusstsein und Wissen um das eigene Können unter den Teppich gepasst hat, mit Zylinder.
    Deshalb gönne ich es so sehr von Herzen, wenn Menschen aufblühen.

    Zu mir sagte letztens jemand (der aktuell seine Scheidung betreibt): "Warte mal - wir hatten ein Problem, du hast deinen Standpunkt gesagt, ich habe meinen gesagt, wir haben eine Lösung gefunden. SO geht Beziehung??" Genau, so geht das. Gemeinsam in die gleiche Richtung gucken.

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