19 April 2023

von Alita

Lange Geschichte. Es dauert, das zu lesen.
'Könnte sich aber lohnen.

Enjoy.

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 Im Prinzip fragen Sie sich jetzt gleich
bereits nach den ersten Zeilen so was wie

"Hä?! Und ich dachte eigentlich, der wäre clever!?"

Aber so ist das manchmal:
Intellekt und Cleverness spielen in verschiedenen Rennklassen.


Wie neulich schon mal angedeutet, bin ich vor Kurzem
über eine Romance Scammerin gestolpert.

Angefangen hatte alles im Oktober, glaube ich:

Über eine englischsprachige Community für ExPats,
die in D leben und arbeiten, schrieb mich ein Mitglied
aus der Stuttgarter Community an.

Sie sei U.S-Amerikanerin, arbeite beim medizinischen
Personal in der Army in Al-Tanf/Syrien und sie hätten
mehr als gut zu tun wegen des Erdbebens neulich.

Aber irgendwann würde wohl endlich mal ihr Urlaub
genehmigt und dann zöge sie in Erwägung, einen Besuch
in D oder auch in Österreich zu machen, weil sie dort
nach ihrer Armeezeit hinziehen wolle.

Weil sie hier aber niemanden kenne, versuche sie über
unsere ExPat-Plattform Menschen kennezulernen und
jemanden zu finden, die ihr etwas zeigen können vor Ort usw.

Bis hierhin alles noch normal und unverdächtig.

Weil aber eigentlich für Armeepersonal social media
in Krisenregionen nicht gestattet seien, schlug sie alsbald
vor, den Kommunikationskanal zu wechseln auf Email.

Erstes, klassisches Warnzeichen.


Was sie denn nach ihrer Armeezeit beruflich vorhätte?

Sie wollte in das Juwelen- und Schmuckgeschäft einsteigen,
in dem ihr Vater vor seinem Tod bereits in den USofA tätig
gewesen sei und welcher ihr eine entsprechende Hinterlassenschaft
vererbt habe. 

Weshalb sie dieses business nicht in ihrem Heimatland
aufziehen wolle nach der Armeezeit?

Weil ihr Onkel unmittelbar nach dem Tod ihres Vaters ein Auge
auf dessen Erbe geworfen habe und ihr hätte einreden wollen, dass
er doch für sie den Schmuck etc. verwalten könne.

Weil sie sich dort nicht mehr sicher gefühlt habe, hätte sie das Geld
dem Geschäftspartner Ihres Vaters anvertraut, der hätte für sie in
Kanada ein Wertfachdepot eröffnet und Schmuck und Juwelen
dorthin sicher untergebracht.
Es handle sich um eine russische Sicherheitsfirma, die das betreibe
(und die es tatsächlich gibt).

Zwar sei auch er inzwischen altershalber verstorben,
aber sie hätte Zugriff und alles laufe auf ihren Namen.

Holen Sie sich Popcorn und Cola,
langsam geht es los.
Tage und Wochen vergehen, der Kontakt häuft sich.

Inzwischen liegen jeder Email von ihr Fotos/Selfies bei.
Selfies bei der Arbeit, Selfies in Uniform, aber auch
eine Spur zu sexy selfies.

Sehr enge Armeeshirts, Nachtwäsche, aber auch mal
full combat drill Uniformen.


Ungewohnt finde ich bald, dass absolut jede noch so
nebensächliche 
Bemerkung von mir aufgegriffen und
kommentiert wird.

Wenn ich beispielsweise erwähne, dass ich meinem Kollegen bei
x und y geholfen habe, kommt zuverlässig so was wie:

"Es ist sehr empathisch von Dir, dass Du ihm bei X und y hilfst
und es zeigt,  dass Du einer guter Mensch bist"
.

Und dann wird ihr Urlaubsantrag abgelehnt, weil ohnehin
zu wenig Personal in der Army base verfügbar sei.

ABER von Kameraden hätte sie GEHÖRT, dass es manchmal hülfe,
wenn ein Freund / Bekannter / Verlobter aus dem Ausland sie bei
ihrem Urlaubsgesuch unterstütze und die Personalverantwortlichen
der Army base anschreiben, mit der Bitte um Urlaubsgewährung für
die Person. Eine Emailadresse wurde mir genannt.
Ab hier gibt's was zum Lachen.
Und das - hab ich dann tatsächlich auch gemacht. :-)

Die eine Spur zu raschen Antwortschreiben vom "Headquarter"
daraufhin sahen auch alle erst einmal echt aus.



Angeblich um Fake-Anfragen und Feindfallen für Armeeangehörige
auf Auslandsaufenthalten zu vermeiden, wurden nun Personalausweis-
daten von mir als host im Ausland abgefragt.

Spätestens da hätte ich vorsichtig werden sollen.
Aber bis zu ddem Punkt sollte es
ab hier noch etwa 4 Tage dauern.
Inzwischen waren wir erneut auf einen anderen
Kommunikationskanal gewechselt, diesmal auf
mein Betreiben hin, und diesmal zu WhatsApp.

Und wieder machte ich mir erst zu spät Gedanken:

Was macht jemand ohne eigenen Hund
mit einem Hundefoto als Avatar?
Zumal so eines im Stock-Foto-Stil?




Nun geht es Schlag auf Schlag, denn die Scammer haben bis
hierhin bereits etwa 4+ Monate an Zeit in mich investiert!

Plötzlich beruft diese russische Wertfach-Depotfirma aus Kanada
ein emergency meeting ein für alle Kunden.

Alle Kunden werden dort im Online-Call informiert, dass aufgrund
der Ereignisse in der Ukraine die kanadische Regierung ihnen den
weiteren Geschäftsbetrieb in Kanada untersagt hätten und dass alle
Kunden ihre Wartsachen binnen 10 Tagen entweder persönlich dort
abholen müssten oder gegen ein Entgelt einen Agenten der Firma
mit entsprechenden Vollmachten beauftragen könnten.

Andernfalls würden alle bis dahin nicht verfügten Güter vor Einstellen
des Geschäftsbetriebes an kanadische Behörden übergeben und müssten
dann zu einem späteren Zeitpunkt dort gegen Legitimierung abgeholt
werden.

Sie klingt am Boden zerstört und sendet mir die Kündigungsnachricht
der Firma, die wie gesagt echt ist (die Firma UND die Nachricht).

Und natürlich könne sie von Syrien aus nie und nimmer persönlich
dort ihre Angelegenheit regeln. Deshalb werde sie das Angebot eines
Agents vor Ort annehmen müssen, hätte das Geld für diesen aber nicht.

Und dafür brauche sie nun dringend USD 2.632, die sie mir auch
garantiert sehr bald zurückgeben werde.

Ta-daaaa!


So.

Nach diesem etwas späten Weckruf für mich hatte ich es
dann auch mal kapiert und begann ab hier, das Spiel
mitzuspielen, nachdem ich mir alle Emails und alle
Dateianhänge der letzten Wochen noch einmal
genauer angesehen hatte.

Die TLD hinter der Emailadresse des Headquarters?
Registriert in Reykjavík.

Die Kündigungsnachricht der Schließfächerfirma?
Echt, aber ihr Name in anderem Schriftfont reinkopiert.




Tsstss....jaisschonokaaay, so was MUSS einem
VORHER auffallen. Geschenkt.^^
Lektion daraus:
Immer am großen Bildschirm lesen,
nie Emails aufm Handy lesen.
Nun brauche ich noch die letzten fehlenden Infos,
bevor ich mit all dem zur KriPo gehen kann:

Wer soll das Geld bekommen?
Welcher Name, welche Bankverbindung nutzen die Scammer?

Ich verspreche ihr freitags, gleich am nächsten Montag die
Zahlung für sie in die Wege zu leiten, sie solle mir unbedingt
die Kontodaten per WhatsApp UND per Email geben, damit
es auch ja alles schnell gehe und keine Verzögerung eintrete.

Die Falle funktioniert - sie sendet mir die Kontodaten.

Ich checke diese ein letztes Mal, obgleich ich inzwischen schon
Bescheid weiß, und zu meiner Überraschung wirft die Suche im
Netz genau dieses Konto und genau diesen Namen bereits seit
mehr als zehn Jahren
als Scam aus.

Egal, sie denkt, sie hätte es geschafft - ab hier schwimmen
ihre Handytexte in Versprechungen und Emojis
und Romanzenscheißdreck.


Wie die Zeitstempel vermuten lassen, wird sie nervös.

Weil ich nicht mehr reagiere, denn inzwischen
bin ich bereits anderweitig tätig geworden.

Die ExPad-Community weiß Bescheid über ihren Account.

Bei der Schufa habe ich eine Kreditsperre
für meinen Namen eingerichtet.

Beim Bürgermeisteramt habe ich einen Termin
für das Ausstellen eines neuen Personalausweises.
Sicher ist sicher.

Und das LKA hat eine Onlineanzeige von mir bekommen
mit lückenlosem Verlauf, Screenshots und allen Medien
und Dateianhängen.

Nun ist es an der Zeit, den Stecker zu ziehen:
Ich blocke sie auf allen Kanälen und Servern, und das war's dann.

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Gibt es aus der Nummer hier 
so etwas wie eine Lektion?

Vielleicht schon - aber keine, die man hören möchte.

Nämlich:
Egal, wie sehr Du die Methoden auch kennst,

es kann Dir trotzdem selbst passieren.

Und das bedeutet:
Absolute Sicherheit ist nicht möglich.


Was ärgert daran mich am Meisten?
Dass ich jetzt einen neuen Personalausweis
MIT VIER (statt wie bisher 2) Vornamen bekomme. :-)

11 Kommentare:

  1. Ich würde sagen: warten wir ab, was chatGPT alles kamn, wa?
    Je besser die Prompter werden, desto schlimmer wird das Ganze mit den scams werden. Man wird bald nicht mehr misstrauisch werden, bis es wirklich zu spät ist.

    Die Geschichte mit den 4 Vornamen fände ich interessant!

    (für Mädels gibt es das selbe mindestens auf insta mit irgendwelchen armee-ärzten, keine Ahnung, wie viele von denen ich schon kenne :-D)

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    1. Wären mit ChatGPT oder Chat-4 gegenüber gesessen, meine Chancen wären noch schlechter gestanden.
      Aber solange keine Gelder und Kontodaten fließen, ist noch alles in Ordnung.

      Meine demnächst entwerteten Personalausweisdaten und -scans behalte ich aber. Für die nächste Scammerin mit dicken Titten und freizügigen Fotos.^^

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  2. Ach und, ein kleiner kick muss noch sein.
    ALITA? echt ey? Guck mal mehr Filme ;)

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    1. Ehrlich?
      Die Mädchennamen in den Filmen, die ICH GUCKE, sind noch weitaus schlimmer ;-)-

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    2. Nun, der Film heisst Alita - Battle Angel umd die Scammer haben bestimmt gekichert, als sie das militär-arzt-babe so genannt haben ^^
      (also ich musste jedenfalls schmunzeln)

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    3. Was ich immer sage, der Blogscheiß bildet einfach^^.

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  3. VIER (!!!) Vornamen? R ... M ... ? ... ? Jetzt machen Sie mich aber extrem neugierig. :-) Wir waren so arm, wir konnten uns nur EINEN Vornamen leisten ;-)
    Aber zu Alita: Besser spät gemerkt als zu spät ...

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    1. Es sind genau genommen sogar SECHS (!).

      Offenbar wurden auf den Geburtsanmeldestellen in den Krankenhäusern der frühen 70er unbotmäßige Mengen an Alkohol an die jungen Väter* ausgeschenkt (*= in diesem Fall nicht ganz zutreffend).

      Aber ja, mein Vater gab mir 2 Vornamen, SEINE zwei Vornamen UND die zwei Vornamen SEINES VATERS.


      Den Tag meiner Hochzeit vergesse ich nie:

      Wir stehen da, hinter uns die Traugäste, und die Standesbeamtin liest nacheinander artig vor:

      „Willst Du, R. M. H. H. J. G. , die hier anwesende M. zu Deiner rechtmäß…=

      und der Rest ging - in den LACHSCHREIEN DER GÄSTE unter.

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    2. ohgottogott hoffentlich ist kein Horst dabei o.o

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  4. Der deutsche Schäferhund war doch ein guter Hinweis... 🤭

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    1. Wahrscheinlich setzen die DIESEN Avatar nur für Deutsche als Zielobjekte ein :-).

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