26 Dezember 2022

von Alettas Titten und der schlechtesten Party des Jahres

 ...
In der Folge von Corona sind die wenigen events, auf
denen man mal als Angestellter zentral zusammenkommen
und seine Kollegen wiedersehen kann, rar geworden:

Scheißegal, was alle unsere Konzerne da immer predigen in
Sachen "come together" und "networking" und dem ganzen
Gesabbel, wie wichtig in diesen schweren, herausfordernden
Zeiten doch gerade der persönliche Austausch sei - das süße
Corona-Lerngift, wie unglaublich stark man die Reisekosten
und Eventaufwendungen absenken kann, ohne dass die Leute
kündigen, dieses süße Gift haben sie alle sehr gerne geschluckt.

Und jetzt wollen sie nicht mehr davon weg.
Die Budgets sind längst planmäßig runtergedampft worden auf
Bruchteile ihrer prä-Corona-Größe, und sie kommen auch
nicht mehr wieder.

Bei mir persönlich kam im ablaufenden Jahr hinzu, dass die sehr
wenigen events, die es tatsächlich noch als Präsenzveranstaltung
gab, in Zeiten stattfanden, in denen ich entweder selber an Corona
erkrankt oder im Sommerurlaub befindlich war.

Tatsächlich war ich bis letzter Woche nur auf einer einzigen
Veranstaltung gewesen: Dem Start-evenr für das ablaufende Jahr.

Natürlich waren von ganz oben per Order by Mufti auch alle
lokalen, kleinen feinen Weihnachtsfeiern  abgesagt worden (welche
aus Abrechnungsgründen selbstverständlich nicht so heißen dürfen).

Die Budgets wurden einkassiert - statt dessen sollte es eine zentrale 
Jahresendveranstaltung geben, die dann sozusagen in alle dezentralen
Stellen per Eventradio live übertragen wurde, und in den Zweigstellen 
konnte man dann aus was-weiß-ich-woher quer durch die Republik
anreisen und dort ebenfalls bei Glühwein und DJ-Musik feiern.

Ok, was man halt so "feiern" nennen kann:

Bei einer Veranstaltung mitten in der Woche,
bei Anreisen von teils weit über einer Autostunde,
mitten im Jahresendgeschäft und anderntags bereits
bei den Allermeisten anstehenden Folgeterminen,
und natürlich noch mitten in der Schulzeit, vor Ferienbeginn.

Wie bescheuert kann man eigentlich sein.

Trotzdem bin ich da hin, hatte mir sicherheitshalber von wegen
Alkoholkonsum auch ein Hotelzimmer 800m um die Ecke besorgt
und dort rechtzeitig eingecheckt.

Und übrigens, woran erkennt man, dass man in einem Hotel
im Schwabenland untergebracht ist?
Richtig:


Der Fußweg von dort ist eisig, aber mit 8 min nicht weit.
Als ich eintreffe, sind zu meiner Überraschung fast alle schon da,
- ein erstes Zeichen für das, was dann noch kommen wird (FIFO).

Bei der ersten Runde durch die Reihen begrüße ich lange nicht mehr
gesehene Kolleginnen und Kollegen, tausche erste Smalltalks á la
"Wie war das Jahr bei Dir?" aus und kann mich an der (self service-)
Theke gar nicht entscheiden, ob ich jetzt schlechtes Bier, Kinderpunsch
oder Glühwein haben will.

Auch sind alle unsere Vorgesetzten schon da, sie hocken beisammen,
wie immer, sie waren zwar schon den ganzen Tag beisammen (Tagung),
aber Führungsaufgabe, die endet ja nie, ein steter Drang zu Austausch,
immer alert, immer im Dienst, immer die Ohren offen.

Ich gehe in den Dart- und Kickerraum, lasse mich an Letzterem mit
2 : 9 von einem Kollegen abzocken, siege dafür im Dart und habe
dann endlich Durst genug für schlechtes Bier aus Ulm.

Meine Ex-Chefin wirkt entspannt. Ihre Zahlen waren zuletzt wirklich gut.
Sie wirkt nicht sonderlich unentspannt über das kommende Jahr, welches
ohne meine Betreuung und Arbeitskraft stattfindet.'

Manchmal denke ich, wir nichtleitenden Mitarbeiter,
wir sind alle nur Mittel zum Zweck.

Sobald wir nichts mehr beitragen können zum Erfolg unserer
Führungskräfte, erkaltet das Interesse an uns schneller als jede Herdplatte.


Als die Musik losgeht, immer wieder interveniert von den typisch
lächerlichen DJ-Ansagen, die man wirklich nur Firmenfeiern verkaufen
kann, die aber in einem echten Radiosender zur sofortigen Absetzung
des DJs führen würden, wird erstmal 80er-Zeugs aufgelegt.
War ja nicht anders zu erwarten, bei unserem Durchschnittsalter.

Kurz danach öffnet das mit bescheiden noch euphemisierte Buffet aus
Warmhaltecontainern mit 1 Hauptspeise und 1 Vegetariergericht, ich
probiere beide, teste dann die 1 Nachspeise im Minigläschen und denke
mir zum ersten Mal heute, dass ich eventuell doch nicht soooo alt werde
heute hier.

Die sparen sich die letzten zwei Coronajahre hier hunderttausende an
Euros, und dann so einen Fraß und genau zwei Biersorten?

Ah ok, ich hab das Radler aus der Flasche vergessen: Drei Biersorten.
Alle vom gleichen Hersteller. 
Ich hatte schon eigene Gartenparties mit mehr Biervielfalt.
Aber: Schnee von gestern. Nicht so viel daran denken.

Noch zwei, drei etwas tiefergehende Gespräche, und dann steht
auf einmal schon jemand mit der Jacke überm Arm hinter mir.

Er winkt kurz in die Runde, lächelt nickend -und verabschiedet sich.

Und ich denke so Häää?!, wer kommt denn bitte aus 80 min Distanz
für zwei Stunden hierher und fährt dann wieder 80 min?!


Und dann denke ich, mich tritt ein Pferd:
Dutzende scheinen nur darauf gewartet zu haben, dass der Erste geht:
Auf einmal erheben sich reihenweise Menschen und spurten
nach ihren Winterjacken.

Ok, zwischendrin lief mal alberner Partyscheiß vom DJ,
ok bei Manchen wartet das schulpflichtige Kind daheim,
ok Mancher  hat morgen früh gleich wieder ne Tagung (wieso eigentlich??).

Ich blicke kurz auf mein Handy: 19.15 Uhr.  WTF!?

Zwanzig Minuten später ist hier im Prinzip alles gelaufen:
Die Horden der sich Verabschiedenden sind weg, auf einmal gibt
es überall an den Tischen Sitzplätze, der DJ verteilt noch schnell
alberne Karaoke-Teilnahmezettel an den Tischen, aber das hier
ist durch für heute.



Inzwischen läuft Rammstein, es gibt genau NULL ausgefüllte
Karaokelisten, der DJ steht in einem leeren Tanzraum und isst
Buffetware, und um 19.50 Uhr sind inklusive der Zimtenen und mir
noch ganz genau 7 Leute auf der großen Zweigstellenparty.

Die Zimtene hat seit Monaten nicht mehr mit mir geschrieben
oder geredet. Meine letzte Nachricht, verbunden mit einer Einladung,
wurde nie beantwortet. Heute wäre eine gute Gelegenheit mal für
eine Aussprache, aber sie wirkt nicht interessiert und mir geht es
- mit Verlaub- inzwischen am Arsch vorbei, was Leute von mir denken.

Zeit, aus diesem Abend noch was Sinnvolles zu machen - ich verabschiede
mich ebenfalls, hole meine Jacke, laufe ins Hotel zurück, checke dort
keine 4h nach dem Einchecken wieder aus und setze mich stocknüchtern
wieder ins Auto nach Hause.

Auf dem Heimweg höre ich sanfte Musik, der Mond steht auf Dreiviertel
voll, aber er hängt warm und groß leuchtend irgendwie von oben herab,
wie eine große weibliche Brust aus dem dunklen Nachthimmel, die
Ähnlichkeit ist frappierend, ich suche in meiner Erinnerung nach der
passenden Brust und finde sie bald:

Da oben hängt Aletta Ocean aus dem Himmel, kein Zweifel.
Ich bin fasziniert vom abendlichen Tittenmond, grinse über mich selber,
treffe noch vor 21 Uhr wieder daheim ein, lade meinen kleinen 
Übernachtungskoffer wieder aus.

Ich überprüfe anhand einiger gespeicherter Videowerke mit Aletta Ocean
sodann den Wahrheitsgehalt meiner Mondeinschätzung,
stelle zufrieden fest, dass ich Recht hatte, und begehe dann den Rest des
Abends so, wie ich ihn lieber gleich begangen hätte, während ich mit
Ibuprofen versuche, die Kopfschmerzen von den zwei schlechten Bieren
wegzubekommen:



2 Kommentare:

  1. Das so zu lesen macht mich recht dankbar für meinen Arbeitgeber. Da gibt es keine schlechten Weihnachtsfeiern oder Sommerpartys. Aber, wir sind ja auch kein riesiger Konzern, sondern eine kleine Bude mit einem außergewöhnlichen Chef.

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    1. Und das wird vielleicht auch "das Erfolgsrezept" sein bei Euch:
      Außergewöhnlicher Chef + kleine Bude.

      Wobei ich fast glaube, dass das es das so NUR in dieser Kombination gibt - außergewöhnliche Chefs sind vielleicht nicht zufällig sehr selten in Riesenkonzernen anzutreffen, darauf achtet das System schon.

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