Es gibt Momente, die vergisst man nicht, nie.
Was meine Person angeht, sind das viele Momente.
Gefühlt verdammt viele.
Und wer hätte es anders vermutet, es ist nahezu
kaum ein Erfolgsmoment dabei:
In der erdrückenden Mehrheit sind die peinlichen, die
unangenehm berührenden Erlebnisse gewesen.
Witzig, was die Erinnerung an diese Momente
manchmal in Bruchteilen einer Sekunde wieder hervorruft.
Und sei es nur ein harmloser Tweet.
Ich trage ein Star-Wars-Shirt, obwohl ich keinen ihrer Songs kenne.
— Krieg und Freitag (@kriegundfreitag) August 11, 2019
Nur eine einzige Zeile.
Und wooooosh, katapultiert mich ihr Zeichencode mal eben
vierzig Jahre zurück in die Vergangenheit....
Es muss die 6. Klasse sein.
Ich sitze im Kunstunterricht in einem der oberen Stockwerke
dieses Gymansiums.
Meine wie üblich sorgfältige, gar mit der Sorgfalt eines
Agentenverhörer-Kindes sogar übersorgfältige Vorausplanung
hat es mir ermöglicht, in diesem Halbjahr an genau DEM Tisch
zu sitzen, welcher im perfekten 90°-Winkel steht.
Im 90°-Winkel zu genau jenem Tisch, an dem das
hübsche blonde Mädchen mit den blauen Augen sitzt,
das auf ewig zu lieben ich mich bereits in der 4. Klasse
der Grundschule final für mein Leben entschieden habe.
Nicht so lange her, dass DAS IMPERIUM SCHLÄGT ZURÜCK
(Star Wars V) ganz groß in den Kinos gelaufen ist, der Hype
trägt noch, in diesem Frühling.
Neben ihr sitzt -leider- ihre schnepfige dürre Freundin, die ein
Gebiss hat wie Freddy Mercury und die mich (und alle anderen
Jungs) nicht mag.
Und sie findet STAR WARS total albern.
Das ist jetzt doof, denn erst am Wochenende war ich mit meinem
Vater im Kaufhof in Euskirchen, Innenstadt, Fußgängerzone.
Dort habe ich im 3. Stock, Kinderabteilung ein wunderbares,
einmaliges dunkelblaues T-Shirt mit einem riesigen Darth-Vader-
mit-gezücktem-Lichtschwert-Aufdruck gesehen:
Und natürlich so lange gebettelt, bis mein Vater es mir gekauft hat.
Das trage ich jetzt, hier, im Kunstunterricht.
Weil es mir dann aber doch ein bisschen zu peinlich war, trage ich
meine dünne Polyesterjacke darüber, während ich hier so sitze.
Sicher ist sicher.
Die Mädchen kichern eh schon, wenn ich hingucke.
Da erspäht mich von hinterm Lehrerpult der fast kahlköpfige,
Adler-nasige und stets laut krakehlende Ungarn-Flucht-Lehrkörper
Herr Asvanyi.
Weiß der Geier, wie ein Mensch, der so sehr Kinder hasst, Lehrer
werden konnte. Einen hervorragenden Feldwebel hätte er abgegeben.
Aber seine dicke Brille und seine Statur hatten dies wohl verhindert:
Schließlich hatten auch Gulaschkommunisten ihre Standards.
Herr Asvanyi hat mich gesehen und tut, was er am Besten kann
und aus diesem Grund immer tut: Er krakehlt.
Ihn stört: Meine Jacke.
Weshalb ich eine Jacke trage, in seinem Unterricht.
Ich lüge zurück, weil mir kalt sei und denke mir
"oh nein, tu mir das jetzt nicht an!"
Er krakehlt zurück, dass ich die Jacke ausziehen solle.
Zögerlich füge ich mich, alle starren mich an, die Jacke
gleitet im Sitzen an mir herunter und wird hinten über der
Stuhllehne aufgehängt, die Mädels sehen den Lichtschwert-
kampfbereiten Darth Vader und prusten gackernd los,
woraufhin ich in Grund und Boden versinke.
Für den Rest des Schuljahres werde ich den Kopf nicht mehr
nach rechts wenden.
Aber wenn ich erst GROSS bin.
DANN trage ich ein Vader-Shirt.
So OFT und WO ich will!
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