23 April 2022

Winnie und der Burger

 
Stehe freitags morgens um halb neun mit hochgezogenem T-Shirt
vorm Spiegel und prüfe, ob der gestern mittag mit wenig Olivenöl
und viel Essig angemachte grüne Blattsalat womöglich schon
seine Wirkung zu entfachen hat beginnen können.

Stelle indigniert fest, dass das nicht der Fall ist,
sehe immer noch aus wie Winnie Puh.

Frage mich wie es dazu kam.
Dass ich hier mit unten-ohne-T-Shirt vor dem Spiegel stehe.

Erinnere mich, dass ich neulich eines meiner Business-
Hemden nicht mehr richtig zu bekommen hatte.
Das extra slim fit-Teil mit der gestickten Rose am Ärmel.

Was übrigens auch schon eine Woche zuvor für das Anprobieren
der seit zwei Jahren kaum noch getragenen  Slim-Anzüge galt,
in Vorbereitung auf die Übernachtungstagung.

Hatte heftig kopfschüttelnd das Experiment abbrechen müssen,
den Rotz zurück in den Kleiderschrank gehängt und dafür die
Elasthan-Chino-Hose plus ein normal fit Hemd in den Koffer gepackt.

War auf der Tagung abends im Bierhaus trotzdem noch einer
der am wenigsten Corona-home-office-Gebellyboosterten.
F*ck, die Kollegen haben die Zeit echt nicht gut überstanden.^^

Stelle mich seufzend in die Küche und schneide/putze das,
was die sanfte Frau (die plötzlich und unerwartet genau in dem
Moment zurück in meine ohnehin geachterbahntes Leben der
letzten 9 Monate trat, als ich an sie dachte) früher immer
"kein Essen" nannte:

Salat.

Am Besten gleich die ganze Salatschublade ausm Kühlschrank
einputzen,
denke ich mir.

Dann hast Du das Zeug schon mal vorbereitet.
Keine Ausreden mehr nachher.
Du musst nur noch schnell Dressing drüberkippen und Umrühren.
Bevor Deine  Bauchspeicheldrüse schnallt, dass sie hier gleich
mächtig verarscht wird.


In diesem Moment brummt mein Handy.
Ich gehe rüber.
Nachricht vom Büffel. Den hatte ich total vergessen!

"Bleibt es nachher bei 12.15 Uhr im LOS LOCOS?"

Kurz falte ich die Hände und hebe meinen Blick erst
in meinen Terminkalender, dann gen Himmel.

Danke, Herr.
In schwerer Stunde rettest Du mich vor dem Übel,
das meinen Kühlschrank heimgesucht hat und holst mich
heim in die Arme Deiner wunderbaren argentinischen Küche.


Bald darauf sitze ich in der City zum ersten Mal seit Monaten wieder
mit dem Büffel zusammen, wir lachen, wir trinken Quilmes,
wir bestellen eine Chorizo aus der Pfanne als Vorspeise.


Und weil der Tag aus Ernährungssicht damit eh beim Teufel ist,
lasse ich alle guten Vorsätze für heute sausen und ordere den
hauseigenen 600g-Burger.  Mit Salat drauf.


Ok, der Salat daheim kommt morgen dran.
Wahrscheinlich.

4 Kommentare:

  1. Ich hab mich sehr für Sie gefreut, dass es ein Wiedersehen mit dem Büffel gab. Man kann beim Lesen fühlen, wie gut Ihnen das getan hat :-)
    Und ich finde Winnie Puh gut, also so lange, wie damit nicht ein Reifen für Monstertrucks gemeint ist ;-)

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ich finde mich ohne Bauch besser, und ja, der Büffel ist eine Humorweide, seine Gegenwart belebt und fordert zugleich^^.
      Möge ihm lange Gesundheit vergnönt sein.
      Und noch viele Konzerte und Treffen mit mir.^^

      Löschen
  2. Bei Salat fiel mir dieses Video ein:

    https://www.youtube.com/watch?v=77DIKr_JetI

    :-D

    AntwortenLöschen

Hinterlassen Sie dem Feuervogel an dieser Stelle gerne Ihre Gedanken:
Er freut sich über Ihre achtsame Wortwahl, einen freundlichen Ton und Ihren von Miteinander beseelten Gedankengang.
Und in allen anderen Fällen löscht er kommentarlos.
Falls Sie Probleme haben Ihren Kommentar angemeldet abzugeben: Suchen Sie in Ihren Browsereinstellungen nach "Cookies von Drittanbietern blockieren" und deaktivieren Sie diese Option.